Die Jung(gesellen)schützen Gesellschaft bis 1875

Einleitende Bemerkungen zum Alter der Gesellschaft

Im Juni des Jahres 1791 bekam der Schützenschreiber Johann Franz Brisgen vom damaligen Vorstand der Hirschberger Jungschützen den Auftrag, die alte kaum noch lesbare Rolle der Gesellschaft neu abzuschreiben. Brisgen leitete seine Niederschrift mit folgenden Worten ein:

"Da Anne 1665 die Rotulla deren Jungen Schüzen Brüder zu Hirschberg ist ausgeschrieben worden, durch den Georgius Menge Stadtschreiber, Nunmehro aber so gar wieder Veraltet das deren Inhalt kaum mehr zu Verstehen war, so waren wir Zeitliche Richtleüthe als: Frans Anton Heppelmann als richtmann Ant: Böckler fendrich Wilhelm Storck Scheffer, Casparus Cöster unterscheffer, genötiget selbe alte Rolle abschreiben zu laßen durch unseren Jetzigen Schüzen Schreibern Joannes Franciscus Brisgen, also haben wir dieses zur Nachricht hierhingeschrieben im Juny Anno 1791
Joh: Franz Brisgen schreiber"


Dann schrieb er die zehn Artikel umfassenden Statuten ab, deren Präambel hier ebenfalls wiedergegeben werden soll:

"Im Namen der Allerheylligsten Dreyfaltigkeit amen.
Rottula deren Jungen Schüzen Brüder, in der Stadt Hirschberg, welche in dießem Ein Tausend Sechs Hundert, Sechzig und Vierten Jahrs, acht Tage Vor dem H. Pfingstfest, aus alter abgegangener Rottulen erneüert, abgeschrieben, Verbeßert und zum Neuen standt gebracht worden. Auch der Schüzen Ihres Verhaltens artikulirter weise nach alters und neüem Zusaz Verzeichnet.
Im mehrem auch eines Jeden schüzen Name, seines antretten mit Jahr und Tag Verzeichnet ist worden... "


Schließlich fügte er noch eine Abschrift der Zeilen hinzu, mit denen Georg Menge 1665 die Richtigkeit seiner Angaben bezeugte:

"Anno 1665 auf das H. Pfingstfest.
Zu wißen sey hiemit Nachdem der Jungen Schüzen In Stadt Hirschberg, ihre alte Rolle in Schrifften Veraltet, und deswegen Vorbeschriebener maßen, durch Verordnete und Beschwörung Stadts schreibers Georgium Menge, Extrahiren aßen, Verbeßert und zum sicheren standt gebracht worden und haben erst nachbeschriebene Söhne und schüzen, Ihre Vogelstange auf alters hero gekaufften plaz von weiland peter püngelmann herrührend aufrichten laßen, wie auch die alters here fastlabends gehräüche abgeschaffet worden, demnegst nach löblichen brauch zu der Ehre Gottes ein Seides Fähnlein und Trommen gekaufft, und sichere Regierende persohnen angeordnet worden

Ego Georgius Menge Scriba
Juratij in Hirschberg Haec
mo (nu)m(ent)a
Mea propria Subscriptione Attestor".

Diese Zeilen sind hier deshalb so ausführlich wiedergegeben, weil aus ihnen eindeutig hervorgeht, daß bereits vor 1665 eine Vereinigung von Hirschberger Jungschützen bestanden haben muß. Menge schreibt ja sowohl in der Präambel zu den Statuten als auch in seiner Rechtfertigung, daß es notwendig gewesen sei, die alten, nicht mehr lesbaren und nicht mehr verständlichen Regeln der Gesellschaft auszuschreiben, zu verbessern und in eine zeitgemäßere Form zu kleiden.
Auch die Bemerkung, daß die Schützenbrüder ihre Vogelstange traditionsgemäß an der Stelle aufgerichtet hätten, die man schon vor langer Zeit von dem verstorbenen Peter Püngelmann gekauft habe, und daß man bereit sei, von den üblichen Fastnachtsgebräuchen abzulassen, deuten ebenso wie die Aussage, daß man altem Herkommen entsprechend zur Ehre Gottes eine seidene Fahne und eine trommel gekauft habe, darauf hin daß die Vereinigung der Jungschützen im Hirschberg des Jahres 1665 bereits auf eine längere Tradition zurückblicken kann.
Wie nun die ursprünglichen Statuten ausgesehen haben, die Menge in modifizierter Form niederschrieb, und die uns dann in dieser verbesserten Form als Abschrift Brisgens erhalten geblieben sind, ob sie sehr von diesen abwichen oder nicht, darüber läßt sich nichts mehr sagen.

Von der Glaubwürdigkeit der Abschrift Brisgens scheinen die Hirschberger auch schon im Jahre 1843 überzeugt gewesen zu sein, denn am 31. Mai diesen Jahres schrieb der damalige Richtmann der Junggesellen, Engelhard Hoff, die oben erwähnten Regeln samt den Bemerkungen Brisgens und Menges, auf Anforderung des Amtsbürgermeisters Gutjahr wortwörtlich ab. Der damalige Hirschberger Gemeinderat, der ebenfalls Engelhard Hoff hieß, bestätigte daraufhin am 2.6.1843 die Übereinstimmung der Abschrift mit der Vorlage. Auf den Grund für die Aufforderung Gutjahrs wird noch zurückzukommen sein.

Die Einleitung deutet darauf hin, daß sich die Jungschützen schon im Jahre 1664 über eine Verbesserung bzw. Neufassung ihrer Satzung einig wurden, diese dann im darauffolgendem Jahre guthießen und schriftlich niederlegten.

Die Jahreszahl 1664 taucht in der Überlieferung noch einmal auf, und zwar im linken großen Brustschild der Königskette, das der Freiherr Gaudenz von und zu Weichs in eben diesem Jahre den Hirschberger Schützen vermachte. Sein gleichnamiger Sohn ist der erste, der unter der Jahresangabe 1665 in Brisgens Abschrift der Liste der "Neuen und angehenden Schüzen" genannt ist

Beide, Vater und Sohn, dürften den Anstoß zur offiziellen Gründung beider Vereinigungen gegeben haben. Sie werden gemeinsam in der "Collectae personarum in prima Classe deren Schutzen ambtsbrüderschafft zum hirtzbergh" vom 20.11.1665 genannt. Für diese beiden sollten in erster Linie nach ihrem Tode Seelmessen und Gebete gehalten werden. Vom Vater wird sogar behauptet, "daß wohlgemelter her, ein fundator deren Ambtz Rottulen und bey lhro Churf. uft unsere unterthanigste bitt, daß Confirmatorium gnädigst auß gewircket hat". Er ist also derjenige, der die Hirschberger Bürgerschützen dazu bewog, sich die uns heute noch vorliegenden Statuten des Jahres 1665 zu geben, und der auch den Kurfürsten von Köln dazu veranlasste, diese offiziell anzuerkennen.
Im Zuge dieser Ereignisse werden dann auch die Jungschützen den Stadtschreiber Menge gebeten haben, ihre alte Satzung in modifizierter Form wieder niederzuschreiben.

Es gibt aber noch ein weiteres Zeugnis dafür, daß die Hirschberger Junggesellen bereits 1664 ihr Schützenfest feierten. Im Stadtarchiv Warstein findet sich in einer Sammlung Hirschberger Gerichtsprotokolle unter dem Datum des 20.6.1665 eine Notiz über die Gesellschaft der Jungschützen und deren Mitglied Engelhard Beckmann. Beckmann war während des Festgelages dieses Jahres mit seinen Kollegen, und hier insbesondere mit seinem Mitbruder Hermann Geisler, der in diesem Fall auch als Ankläger auftritt (beide, Beckmann und Geisler, werden im Jahre 1665 in der Liste der "Neuen und angehenden Schüzen", die ja laut Brisgen nur eine Abschrift und Fortschreibung einer älteren bereits bestehenden ist, unter der Rubrik "Gemeine Schüzen" aufgeführt), in Streit geraten, weil diese nicht die gleiche Summe Königsgeld wie im Vorjahr bezahlen wollten.

Als zusätzliche Stützen unserer Feststellung, daß die Hirschberger Jungschützen bereits vor dem Jahre 1664/65 ihr eigenes Fest feierten, mögen einige Aktenstücke aus dem 19. Jahrhundert dienen.

Mitte des letzten Jahrhunderts veranlaßte die preuß. Regierung ihre untergeordneten Behörden dazu, darauf hinzuarbeiten, die Aktivitäten der Schützen weitestgehend einzuschränken oder, wenn möglich, ganz einzustellen.
Auch der Amtmann Koffler in Warstein bemühte sich, dieser Anordnung nachzukommen. Er ließ ein "Verzeichnis der Schützenfeste im Amte Warstein" anlegen (1. 5. 1858), in dem zu Hirschberg vermerkt ist, daß schon "über 50 Jahre und länger" ein Bürgerschützenfest auf dem Rathaus gefeiert wird, und zwar für gewöhnlich am Pfingstsonntag und -montag mit einer Nachfeier am Dreifaltigkeitssonntag und -montag. Diese vier Tage wurden dann im nachhinein durchgestrichen und statt dessen "Pfingstdienstag und -mittwoch" eingesetzt. Die Anzahl der Vereinsmitglieder wird mit 70 angegeben. In Hirschberg feierte man zudem noch ein Junggesellenschützenfest, und zwar seit 1665. Diese Veranstaltung sollte im Jahre 1858 ebenfalls an den vier vorgenannten Tagen "in einem gemütlichen Lokale" durchgeführt werden. Hier wurde später
hinzugesetzt: "Pfingstdienstag und der Tag nach dem Dreifaltigkeitssonntag". Auch diesem Verein gehören laut Vermerk wiederum 70 Mitglieder an. Unter der Rubrik "Bemerkungen und Vorschläge über Abänderungen" ist das zunächst für beide Vereine gesetzte "verbieten" zwar durchgestrichen, aber statt dessen eingefügt, daß nur Bürger teilnehmen dürfen und Fremde ausgeschlossen sein sollen. Außerdem sind "falls diese Anordnung zulässig sein sollte", beide Feste zu vereinigen und auf höchstens zwei Tage Dauer zu beschränken. An dieser Stelle ist angemerkt: "Vereinigung ist nicht beliebt".
Man war also damals in Hirschberg und auch bei der Amtsverwaltung in Warstein in dem Glauben, die Junggesellenvereinigung sei älter als die der Bürger.
Die Jungschützen selbst geben uns einen Anhaltspunkt darauf, für wie hoch sie das Alter ihres eigenen Festes einschätzen. Dieser findet sich in einer noch heute bei der Schützenbruderschaft aufbewahrten Mappe mit der Aufschrift "Statuten der Junggesellen Schützen Gesellschaft in Hirschberg", in der der Vorstand der Junggesellen unter dem Datum des 20.3. 1859 dem Amtmann in Warstein, wahrscheinlich auf dessen Aufforderung hin, die neuen, den geltenden gesetzlichen Richtlinien angepassten Statuten mitteilte, die Koffler am nächsten Tag abzeichnete und denen er zugleich die polizeilichen Vorschriften für das nun endgültig auf Pfingstdienstag und Dreifaltigkeitsmontag beschränkte Fest beifügte.

Das Begleitschreiben zu diesen Artikeln soll hier ausführlich zitiert werden, weil aus ihm nicht nur hervorgeht, für wie alt sich die Junggesellenvereinigung selber hielt, und warum es zur Neufassung dieser Satzung kam, sondern auch, daß im letzten Jahrhundert noch Schriftstücke vorhanden gewesen sein müssen, die im Laufe der Zeit verloren gegangen sind, denn im Pfarrarchiv findet sich heute keine Urkunde der Jungschützen mehr

"Nachdem wir in Folge Verfügung, Königlicher Regierung zu Arnsberg unser seit dem Jahre Christi 1584 gestiftete Junggesellen-Schützen Gesellschaft, zeitmäßig verbessert, und gesetzlich genehmigen ließen, ermangeln wir nicht, in dem wir unsere alte Rolle, zum ewigen Gedächtniße im hiesigen Kirchen-Archiv niderlegen, unseren ehrenvollen Nachkommenen, die ursprüngliche Gründung derselben mitzutheilen.
Die vorliegende, unter dem damals regirenden Grafen von Arnsberg, im Jahre 1584 gestiftete Schützengesellschaft, wurde von Sr. Kurfürstlichen Gnaden, dem hochwürdigsten herrn Erzbischof von Köln unter dem Motto, Im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit Amen, bestätigt, und wurde bis zum Jahr 1859 mit möglichster Pracht, Achtung und Ehre gefeiert, zur Freude aller Bewohner der Stadt und Umgebung auf die h. Pfingstage, dem Pfingstmontag und dinstag, h. Dreifaltigkeit, und den Tag nach 5. Trinitatis. Ein ausführliches Bericht, lifern die alten Urkunden, die bei der Rolle im Kirchen Archiv ligen und aufbewart werden. welches hirmit zur Kenntnißnahme der Nachkommenschaft dint.

Hirschberg, den 20. März 1859"


Auch im Vorwort zum angehängten "Strafreglement" betonen die Schützen, daß der Vorstand schon seit fast 300 Jahren befugt sei, Vergehen der Mitglieder zu bestrafen.

Das Jahr 1584 taucht in der Korrespondenz der Junggesellen an einer anderen Stelle erneut auf, und zwar in einem Schreiben des Vorstandes an Amtmann Koffler vom 3. Januar 1869, in dem der Hauptmann Ferdinand Mestermann, der Scheffer Anton Stücke und der Schreiber Franz J. Linneboden darum baten, ihr Jahresfest nach zehnjähriger Unterbrechung wieder am Pfingsmontag und -dienstag und am darauf folgenden Sonntag und Montag feiern zu dürfen.

"Seit dem Jahre 1584, wo der damalige Graf von Arnsberg regierender Markgraf war, feierten die Junggesellen von Hirschberg bis zum Jahre 1858 incl.: - beinahe 300 Jahre lang, - an den obgenannten 4 Tagen jährlich ihr Schützenfest. Dieses Fest war vom Graf zu Arnsberg festgesetzt und genehmigt; und wurde dasselbe auch später vom regierenden Erzbischof von Cöln in der besagten Weise genehmigt".

An dieser Stelle mag mancher Schützenbruder die Frage stellen, warum man im Jahre 1984 denn nicht ein 400-jähriges Schützenjubiläum in Hirschberg gefeiert habe? Nun, die Jahreszahl 1584 ist aus mehreren Gründen anzuzweifeln. Zunächst einmal läßt sich heute nicht mehr feststellen, auf welcher Überlieferung diese Angabe beruht, sofern es überhaupt je eine schriftliche gegeben hat. Auch Albert ULRICH, der in seinem Heimatführer "Hirschberg. Einst und Jetzt" ebenfalls die Jahreszahl 1584 nennt und dabei betont, daß sich in diesem Jahre die Junggesellen von den Bürgerschützen getrennt hätten, um eine eigenständige Bruderschaft zu gründen, gibt keine Quelle an, der seine Informationen entstammen, verweist aber darauf, daß sich in der Bevölkerung noch vereinzelt mündliche Erzählungen über diese Gesellschaft erhalten hätten.
Zudem gab es im fraglichen Jahre keinen Grafen von Arnsberg mehr; die Geschichte der Grafschaft Arnsberg als eigenständiges Territorium endete mit deren Verkauf an Kurköln im Jahre 1368, und die Arnsberger Grafen waren auch keine "regierenden Markgrafen". Endlich liegt uns auch die angesprochene kurfürstliche Genehmigung dieses Festes nicht (mehr) vor. Es wäre müßig, darüber zu spekulieren, ob die Geschichte des Hirschberger Schützenwesens vielleicht sogar bis in die Zeiten der Grafschaft Arnsberg zurückreicht, und warum die Hirschberger Junggesellen gerade so sehr auf diese Jahreszahl fixiert sind. Da sie uns aber auf die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts hinweist, dürfen wir im Anschluß an REINTGES davon ausgehen, daß die von uns bereits vermuteten Vorläufer der heutigen Hirschberger Schützenbruderschaft in diese Zeit zurückreichen.