Die Feier des Bürger-Schützenfestes Ende des 17./Anfang des 18. Jahrhunderts

Es ist für uns ein Glücksfall, daß sich die Jahresrechnungen der Bürgerschützen für die Zeit zwischen 1665 und 1735 nahezu vollständig erhalten haben. Diese sind fast durchweg gleich aufgebaut und enthalten neben einer genauen Aufschlüsselung der Einnahmen und Ausgaben der Gesellschaft für das vorangegangene, auch immer die Namen der neugewählten Vorstandsmitglieder für das jeweils kommende Jahr, so daß sich aus ihnen ein relativ guter Einblick in das Leben der Bruderschaft und die Feier des Hochfestes in diesen Jahrzehnten gewinnen Iäßt.
Auf der Seite der Einnahmen sind regelmäßig die Jahresbeiträge der Schützen, die Beiträge der neu aufgenommenen Mitglieder, der Zinserlös aus den verliehenen Geldern, der Rentenerlös der verpachteten Grundstücke, die Strafgelder der für ein Vergehen verurteilten Schützen, Spenden für die Gesellschaft und ein "Königsgeld" verbucht, bei dem es sich um eine Spende des Schützenkönigs handelt. Es ist dies das Geld, das sämtliche Schützen dem neuen König zur Deckung seiner Ausgaben als Geschenk in den Hut legten.
Der König wird, je nach seinen finanziellen Möglichkeiten, diesen Betrag der Gesellschaft entweder vollständig, oder nach Abzug seiner Unkosten den verbliebenen Rest geschenkt haben. Der bestimmt recht wohlhabende Schützenkönig des Jahres 1697, Johann Wilhelm Hövell, kurfürstlicher Richter zu Hirschberg, übergab den Schützenbrüdern in seinem Falle den gesamten Betrag.

Die Jahresbeiträge wurden fast ausnahmslos wieder für den Ankauf von Gerste und Bier ausgegeben. Dabei stand der Kauf von Gerste eindeutig im Vordergrund, aus der die Schützen dann mit dem gleichfalls jedes Jahr neu anzuschaffenden Hopfen ihr eigenes Festbier brauten bzw. brauen ließen. Bereits in der Rechnung des Jahres 1667 ist eine Ausgabe von einem halben Reichstaler für die Anleihe eines Braukessels ausgewiesen. Zumeist scheinen aber die der Gesellschaft angehörenden Wirte und Brauer ihren Kollegen das Bier hergestellt zu haben, denn außer für 1667 finden sich nur noch für 1686,1688 und 1719 Belege über die Ausleihe eines Braukessels. Trotzdem mußte man fast jedes Jahr noch fertiges und nicht aus den Beständen der Bruderschaft gebrautes Bier hinzukaufen. Die Aufwendungen für den Ankauf von Gerste, Hopfen und bereits trinkfertigem Bier, die den weitaus überwiegenden Teil der jährlichen Ausgaben abdecken, zeigen überaus deutlich, daß auch in Hirschberg das Gelage, "also das eigentliche Fest mit Essen, Trinken und Tanzen den zentralen Mittelpunkt der jährlichen Aktivitäten darstellte und wichtiger war als das eigentliche Vogelschießen. Auch für unseren Ort gilt, daß ein Großteil der anfallenden Aufnahme- und Strafgebühren in Form von Bier zu entrichten war, das bei Gelegenheit der Festlichkeiten gleich wieder vertrunken werden konnte.
Eine der wichtigsten Aufgaben des Vorstandes, der in dieser Zeit aus Richtmann, Fähnrich, zwei Scheffern, zwei Schenken, drei Hellebardieren und einem Amtsstabträger bestand (hinzu kamen noch vier Himmelträger, die bei den Prozessionen den Baldachin für das Allerheiligste zu tragen hatten), war die Vorbereitung und Durchführung dieses Gelages, das im Rathaus stattfand. Teilnehmen durften alle Schützen und deren Frauen. In den ersten Jahrzehnten scheinen auch die Kinder in den Festsaal mitgenommen worden zu sein, denn 1692 beschloß man, daß zukünftig Kinder von der Anwesenheit ausgeschlossen sein sollten; gleiches galt für Frauen, die länger als ein Jahr Witwe waren und ehemalige Schützenbrüder, die aus der Gesellschaft ausgetreten waren. Hin und wieder lud man auch Gäste ein, vornehmlich kurfürstliche Bedienstete, die aber nicht immer an der Feier teilnehmen konnten. So mußte der Freiherr Raben Gaudenz von Weichs eine Einladung zum Vogelschießen am 16. Juni 1701 wegen anderweitiger Verpflichtungen absagen.
Zwar gab es damals in Hirschberg auch schon eine Schützenmahlzeit, die in den Jahresrechnungen immer mit dem biblischen Wort ‚Manna' umschrieben wird, und für die man Weißbrot und Bier einkaufte, jedoch sind die Ausgaben dafür um ein Vielfaches niedriger als die für die Beschaffung des Trinkbieres.
Das zeigt, daß auch für die Hirschberger Schützenbrüder das Trinken sehr viel wichtiger als das Essen, und das Bier das Getränk schlechthin war.
Es wurde meist schon sehr zeitig im Frühjahr gebraut, "in Fässer abgefüllt und in einem kühlen Bierkeller gelagert. Zum Schützenfest wurden die Fässer auf das Rathaus ..., wo die Feier stattfand, transportiert und dort verzapft. Dabei wurde nicht Glas für Glas aus den Fässern abgezapft, wie das heute der Fall ist, sondern das Bier kam zunächst in Eimer und Bütten, die dann auf die Tische zur Selbstbedienung gestellt wurden. Das Bier wurde an alle Festgenossen als Freibier ausgeschenkt, eine Sitte, die bei einigen Schützenvereinen des Hellwegs und des Sauerlandes bis in die Gegenwart hinein noch üblich ist. Reichte das Bier nicht, mußte hinzugekauft werden. Diese Nachlieferung wurde dann auf die noch durstigen Festteilnehmer umgelegt".

SAUERMANN weist nach, daß nach heutigem Brauverfahren in damaliger Zeit auf jeden Schützen um die 50 Liter Bier entfielen. Das ist eine erhebliche Menge, selbst wenn man bedenkt, daß jeder Festteilnehmer seine Frau ,oder Freundin mitbrachte, und diese bisweilen auch kräftig mitzechten.

Zumeist lag das Brauen und Verteilen des Bieres in den Händen der Scheffer. Da diese in Hirschberg mit dem umfangreichen Geschäftsverkehr der Gesellschaft belastet genug waren, hatten für letzteres die beiden Schenken zu sorgen, die darüber wachten, daß sorgfältig mit dem Getränk umgegangen, nichts verschwendet oder verschüttet, jedermann gerecht bedient, und kein Bier aus dem Festsaale nach Hause geschafft wurde.
Ab und zu, wie etwa in den Jahren 1667,1669 und 1672 erscheinen in den Rechnungen auch Ausgaben für eine geringe Menge Wein.
Aus dem Zusammenhang ist zu entnehmen, daß dieser nur ausgeschenkt wurde, wenn sich hervorragende und geladene Gäste wie zum Beispiel der Freiherr von Weichs angesagt hatten 167
In den ersten erhalten gebliebenen Rechnungen für die Jahre 1669 bis 1672 finden sich sehr viele Indizien zur Stützung unserer Behauptung, daß auch die Bürgerschützen-GeselIschaft vor 1664/65 bestanden haben muß.
Bereits 1667 veranschlagten die Schützen 371/2 Schillinge für die Reparatur ihrer Fahne und den Kauf einer neuen Fahnenstange, sowie zwei Reichstaler für Zubehör zur Fahne. Die Schützentrommel wurde für 6 Schillinge ausgebessert, und das Zimmern einer neuen Vogelstange kostete 10 Schillinge. Sechs Jahre später wurde traditionsgemäß "dem hern fähnrich altem gebrauch nach vor brandtwein daß daß fahnlein in der procession getragen" ein halber Blamüser ausgezahlt. Dieser Posten erscheint übrigens Jahr für Jahr in den Abrechnungen, zumeist jedoch unter der Bezeichnung:
dem "fendrich seine Jura", was ebenfalls wieder auf ein altüberkommenes Recht hinweist. Die ausgezahlte Summe paßte sich natürlich dem sich verändernden Geldwert an.

Schon seit der Gründung der Gesellschaft wurde in Hirschberg neben dem Vogel auch auf den Geck geschossen. 1667 betrug die Ausgabe für die Anfertigung von Vogel und Geck 12 Schillinge, zwei Jahre später 131/2 Schillinge. Daß man dem Geck sowohl 1667 als auch 1669 ein Lied kaufte (1669 für einen Blamüser), deutet darauf hin, daß diese Figur die gleichen Funktionen auszuüben hatte, die ihr SAUERMANN für die übrigen Orte des kurkölnischen Westfalen zuweist.

Der Geck war eine Mischung aus Hofnarr, Herold und Zeremonienmeister, der sich durch seine auffällige Kleidung aus den übrigen Schützen heraushob. Er übte eine gewisse Ordnungsfunktion aus, indem er dem Festzug voranging und dafür sorgte, daß dieser überall ungehindert passieren konnte. Er war dafür zuständig, die Bevölkerung beim Vogelschießen in einer sicheren Entfernung von der Stange zu halten und ungebührliches Benehmen, wie etwa Rauchen, zu verhindern. Ferner hatte er die Schützen sowohl auf dem Schießplatz als auch auf dem Rathaus mit lustigen Sprüchen, Gedichten, Reden und Liedern zu unterhalten.

Nicht nur auf der Einnahmen-, auch auf der Ausgabenseite der Schützenrechnungen tauchen immer wieder dieselben Posten auf, wie etwa die bereits angesprochen Aufwendungen für den Branntwein des Fähnrichs und das Brot und Bier für die Schützenmahlzeit; ferner Ausgaben für die Zusammenkünfte des Vorstandes; für den Trommler; für den Küster wegen der jährlichen Seelmessen; für die Amtskerzen zum Licht der Bruderschaft in der Kirche; für die Handwerker, die Vogel, Geck, Vogelstange und Schießscheiben fertigen; für die Scheffer wegen ihrer jährlichen Arbeit, besonders bei der Führung der Bücher; für den Stadtschreiber, der den Schriftverkehr der Gesellschaft erledigt und dazu Papier und Tinte benötigt; und für die Stadtwachen, die nicht am Gelage teilnehmen können, und denen man als Dank kostenlos einen Teil des Bieres überläßt. Aufgeführt sind ebenfalls die Ausgaben, die alljährlich beim Aufsetzen des Vogels entstanden. Diese sind nicht unerheblich, so daß man davon ausgehen muß, daß die Schützen auf diese Art vor dem eigentlichen Schützenfest noch eine gesonderte Feier veranstalteten. Außerdem findet sich immer wieder ein Posten unter der Bezeichnung: "vor die lüste", der auch in den Wendungen "vor den krantz oder lust" und ,Busch- und Kranzgeld' auftritt. Dabei könnte es sich um Auslagen zur Ausschmückung des Festsaales gehandelt haben.