Der Bau der ersten Schützenhalle

Eigentümlicherweise ist in der Hirschberger Bevölkerung und selbst innerhalb der Schützenbruderschaft nur noch sehr wenig über den Baubeginn und die Fertigstellung dieser Festhalle bekannt, obwohl es sich dabei um das, nächst der Gründung, bedeutendste Ereignis in der Vereinschronik handelt. Auch an schriftlichen Quellen, wie etwa Plänen und Bauakten, ist in den
Archiven nur noch wenig vorhanden.
Selbst der Vorstand ging bis vor kurzem noch davon aus, daß die Schützenhalle in ihrer ursprünglichen Form im Jahre 1883 geplant und fertiggestellt wurde. Anhand der noch vorhandenen Materialien läßt sich aber feststellen, daß die Hirschberger Schützen sich schon zwanzig Jahre eher mit dem Gedanken der Errichtung eines eigenen Festzeltes befassten und ein erster, wenn auch recht kleiner und provisorischer Bau bereits im Jahre 1878 fertiggestellt war.

Einen ausführlichen Kostenvoranschlag und eine Zeichnung für eine vereinseigene Schützenhalle entwarf der Hirschberger Bauführer A. Brisgen schon im Jahre 1863. Der Kostenvoranschlag datiert vom 3. Juni dieses Jahres und ist uns erhalten geblieben.
Elf Jahre ruhte der Plan, in denen die Vereinigungen, wie bereits erwähnt, der räumlichen Enge in den Festlokalen dadurch Abhilfe schafften, daß sie genügend große Zelte ausliehen und aufstellten. Die dabei entstehenden Kosten an Miete und Hin- und Rücktransport waren jedoch so hoch, daß man dies mit der Zeit als ärgerliche und unnötige Geldverschwendung ansah. Die Vorstände der zwei Schützengesellschaften setzten sich zusammen und griffen den Plan Brisgens wieder auf. Nachdem sich beide Bruderschaften in der außerordentlichen Generalversammlung vom 8.7.1874 darauf geeinigt hatten, sich zu einem Verein zusammenzuschließen und das Vorhaben gemeinsam in Angriff zu nehmen, wandte sich Adolf Stork, der letzte Hauptmann der Bürgerschützen und erste Hauptmann der neuen, 'vereinigten' Schützenbruderschaft, nur drei Wochen später, am 2. August 1874, im Namen der gesamten Hirschberger Bevölkerung und aller Schützen an den damaligen Ortsvorstand und bat, das von Brisgen veranschlagte Bauholz (2530 Kubikfuß Eichen-, 1050 Kubikfuß Tannen- und 260 Kubikfuß Buchenholz) zum halben Preis im Hirschberger Stadtwald zum Einschlag freizugeben. Zugleich bat er, der Gesellschaft einen Bauplatz in der Nähe der Vogelstange unentgeltlich zu überlassen.
Die Hirschberger Stadtväter waren von der Berechtigung dieses Vorhabens überzeugt und überließen den Schützen in einer Ratssitzung vom 9.8.1874, deren Wunsch entsprechend, kostenlos einen Bauplatz und das Bauholz zum halben Preis. Das Holzquantum sollte jedoch aus den Hauungsplänen der folgenden zehn Jahre abgezogen werden. Auch der Amt-
mann Koffler in Warstein gab sein Placet, bat aber den Oberförster Schäfers um eine Überprüfung der Einschlagpläne (5.10.74).
Der machte zwar gewisse Bedenken gegen einen so großen Sonderhieb in einem Jahre geltend, weil er die Abtriebspläne der nächsten Jahre noch nicht kenne, und fragte an, ob die Hirschberger Stadtkasse den Ausfall des halben Holzpreises überhaupt verkraften könne, schließlich gestand er aber zu, den Abtrieb im Jahre 1875 in den Schlägen Schottmecke und Brändchen durchführen zu können.

In einer außerordentlichen Generalversammlung am 19. März 1876 wies der Hauptmann Adolf Stork anhand der Schützenrechnung des Vorjahres noch einmal nach, welche Kosten durch den Bau einer Halle eingespart werden könnten. Daraufhin beschloß man, das geplante Festzeit noch vor dem Schützenfest fertig zu stellen und veranschlagte als Kosten eine vorläufige Summe von 1.500 Mark.
Der Hirschberger Kaufmann Theodor Leiße bot an, der Gesellschaft diese Summe gegen Hinterlegung eines Schuldscheines zu leihen und bis zum 1. Mai verfügbar zu machen.
Der Schuldschein wurde von einigen Mitgliedern des Vorstandes unterzeichnet, die mit ihrem Privatvermögen für das erhaltene Darlehen bürgten. Diesen wiederum übertrug die Schützenbruderschaft das gesamte Vereinsvermögen als Pfand.
Zur Leitung und Beaufsichtigung des Baues wurde ein Komitee benannt, dem Theodor Leiße, August Platte, Wilhelm Becker, Heinrich Mimberg und Franz Prein angehörten.

Trotz aller guten Vorsätze wurde das Festzelt aber in diesem Jahre noch nicht errichtet. Es ist durchaus möglich, daß man Angst vor der eigenen Courage bekam und die eigenen Ansprüche zunächst noch einmal etwas zurückschraubte, denn auf einer Vorstandssitzung am 25. Februar 1877 beschloß man, den Freienohler Bauunternehmer Göckeler damit zu beauftragen, eine Zeichnung und einem Kostenvoranschlag zum Bau einer Trinkhalle (also kein Festzelt mehr) anzufertigen. In einer außerordentlichen Generalversammlung am 29.4. dieses Jahres wurde das Angebot des Bauunternehmers akzeptiert und ihm der Zuschlag erteilt. Die erforderliche Bausumme betrug 2.400 Mark. Wiederum erbot sich Theodor Leiße, diesmal gegen einen Zinssatz von 5 Prozent, die notwendige Summe vorzustrecken.
Auch jetzt traten einige Vorstandsmitglieder als Bürgen auf, denen man erneut bis zur Abzahlung der Summe das gesamte Vereinsvermögen inklusive der noch zu errichtenden Trinkhalle als Pfand überließ.

Aus den älteren Katasterunterlagen für Hirschberg, die heute im Staatsarchiv Münster aufbewahrt werden, geht hervor, dass das Grundstück, auf dem sich heute die Schützenhalle befindet, bis zur Überlassung an die Schützenbruderschaft von der Gemeinde Hirschberg als Hude bzw. Weidefläche zu öffentlichen Zwecken genutzt wurde.

Das erste Gebäude an der Stelle des Westflügels der heutigen Halle war bereits im Jahre 1878 fertiggestellt, denn schon für dieses Jahr wird in einem Verzeichnis der zur Gebäudesteuer veranlagten Häuser in Hirschberg ein der Schützengesellschaft gehörendes Gebäude mit der Hausnummer 180 an der Odackerstraße erwähnt. Zur Zahlung der Steuer herangezogen wurden die Schützen aber erst für das Steuerjahr 1880/81, der Jahresbeitrag betrug 80 Pfennig für eine Grundstücksfläche von 1 Ar und 19 Quadratmeter. In der kalten Jahreszeit diente die Trinkhalle als Holzkohlenlager, um die dem Verein entstehenden Unterhaltungskosten etwas zu senken. Es zeigte sich schon recht bald, daß dieser erste Bau zu klein war und den Ansprüchen der Gesellschaft nicht genügen konnte. Die Schützen begannen an eine Erweiterung zu denken und beschlossen in einer Versammlung am 28. Januar 1883 ein größeres Festzeit zu erstellen, das ungefähr 4.500 Mark kosten sollte. Da die Gesellschaft aber nur ein Barvermögen von 1.500 Mark zur Verfügung hatte, sollte der fehlende Rest von den Mitgliedern durch Zeichnung von Anteilsscheinen beschafft werden. Jede ausgegebene Aktie hatte einen Wert von zehn Mark und die gezeichneten Beträge sollten in drei Raten am 1.2., am 1.5. und am 1.9.1883 zu erlegen sein. Man plante, mit den Arbeiten noch im Frühjahr zu beginnen, damit die ersten Aktien bereits 1884 zur, allerdings zinslosen, Rückzahlung gelangen konnten. Dabei sollte das Los darüber entscheiden, welche Anteilsscheine zuerst zurückgezahlt wurden.
An dieser Aktion beteiligten sich 173 Schützenbrüder, die 215 Aktien zeichneten, wodurch folglich ein Betrag von 2.150 Mark zusammen kam. Auf dieses außergewöhnlich gute Ergebnis hin, beschloß die Generalversammlung vom 11. Februar
1883, den Bau unverzüglich in Angriff zu nehmen und beauftragte den Polizeidiener Aßmann, schon Steine brechen und anfahren zu lassen.

In einer weiteren Versammlung wurde auf Vorschlag des neugewählten Hauptmanns Theodor LeiBe ein Verwaltungsrat gewählt, der während der Bauzeit über die Ausgaben zu wachen hatte. Er bestand aus dem Rendanten Heinrich Gierse sowie den Schützenbrüdern Heinrich Aßmann, Franz Wasserhövel, Anton Deutenberg und Karl Platte. Die Zimmerarbeiten wurden dem Klemens Wiese übertragen, als Bedachung wählte man Falzziegel, auf die der Hersteller zwei Jahre Garantie gab. Der Neubau, an der Stelle der heutigen Tanzfläche, wurde noch im Jahre 1883 fertiggestellt. Das dazugehörige Grundstück wurde aber erst 1884 auf den Namen Theodor LeiBes resp. der Schützengesellschaft im Grundbuch eingetragen. Nach Abschluß der Arbeiten stellte man fest, daß man den ursprünglich veranschlagten Ausgabeetat um 1.800 Mark überschritten hatte. Die Schützen mußten dieses Geld bei der Sparkasse in Warstein aufnehmen. Als Bürgen gewann man Anton Deutenberg, Heinrich Aßmann, Anton Köster, Franz Unger, Franz Wasserhövel und Franz Mimberg, denen man dafür die neuerbaute Schützenhalle und das gesamte sonstige Vereinsvermögen verpfändete.

Die Errichtung und die Finanzierung des Festzeltes waren aber nicht die einzigen Probleme, die die Schützen im Jahre 1883 zu überwinden hatten. Weil die Bauarbeiten nicht rechtzeitig zu Pfingsten beendet werden konnten, verschob man die Feier des Schützenfestes auf das letzte Juliwochenende. Als man nun bei der Amtsverwaltung in Warstein um die Erlaubnis zur Abhaltung der Festlichkeit nachsuchte, untersagte der Amtmann Koffler die damit verbundene Tanzlustigkeit für die nächsten drei Jahre aufgrund einer Verfügung der preußischen Regierung, nach der er berechtigt war, eine solche Entscheidung zu fällen, wenn er die öffentliche Ordnung für gefährdet hielt. Nun war es in Hirschberg in den letzten Jahren wiederholt zu Schlägereien und sonstigen Vorfällen im Verlaufe des Schützenfestes gekommen. In Jahre 1877 oder 1878 und im Jahre 1882 waren sogar, zwar nicht direkt während des Tanzabends, aber doch damit im Zusammenhang stehend, zwei Menschen erschlagen worden. Der Hauptmann Theodor Leiße bemühte sich ganz entschieden darum, daß die Feier doch durchgeführt werden konnte. Er verwies darauf, daß der Schützenverein wegen des Hallenbaus dringend auf diese Einnahme angewiesen sei. Ein dreijähriges Verbot würde den Verein in den finanziellen Ruin treiben. Leiße glaubte, daß seine Autorität bei den Hirschbergern ausreichte, um Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten.
Der Amtsrat wandte sich um Unterstützung an den Landrat von Lilien in Arnsberg. Der antwortete jedoch, daß die vorgebrachten Gründe nicht ausreichten, die Feier des Festes zu untersagen, so daß Koffler schließlich unter strengsten Sicherheitsauflagen die polizeiliche Erlaubnis zur Abhaltung der Tanzabende erteilen mußte.

In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts kam es zu einem massiven Streit der Schützenbrüder mit dem Pfarrer Reineke, der sich vor allen Dingen um die Moral der Jugend sorgte und dafür eintrat, entweder die Tanzbelustigungen und den Ausschank von Freibier, von dem auch die Kinder und Jugendlichen etwas abbekamen, möglichst einzuschränken oder aber die Jugend ganz vom Festplatz fernzuhalten. Über diese Auseinandersetzung, die sich im Laufe der Zeit sogar noch ausweitete, sind kaum noch Nachrichten vorhanden. Es kam jedoch soweit, daß der Pfarrer den Schützen nicht mehr gestatten wollte, daß die Feier der Schützenmesse von der Musikkapelle mitgestaltet wurde. Die Schützen teilten ihm darauf schriftlich mit, daß sie, falls er ihnen diesen alten Brauch verweigern würde, ihrerseits ihren Verpflichtungen gegenüber der Kirche nicht mehr nachkommen wollten. Das bedeutete, daß bis auf Widerruf die Paragraphen 12, 24 und 29 der Satzung von 1874/75 wie folgt geändert wurden:

1. Nach § 12. das ein jeder neu verheirathete Schützenbruder 1 Mark zur Unterhaltung des Amtsstabes an die Kirchenkasse zu zahlen hatte unterlassen, der auf wiederruf der Schützenkasse zu gewiesen ist.

2. § 24. welcher die Verpflichtung enthält, das ein jeder Schützenbruder ein Opfer abzustatten hatte, welche auf wiederruf, wegen Störung der Andacht in der Kirche zu unterlassen ist.

3. § 29. welcher lautet:
Jedes Mitglied neu verheirateter Personen ist verpflichtet als Schützenbruder, die Observanzmäßigen Kirchlichen dienste zu leisten als erstens, bei jeder Prozession den Thronhimmel und Amtsstab zu tragen, welches auch auf wiederruf eingestellt ist. U

nd es müssen diejenigen Mitglieder, an welchen jetzt die Reihe war zu tragen, hierfür 3 Mark zu zahlen haben welcher der Schützenkasse zusidiert ist.

Wie bereits gesagt, liegen über den genauen Vorgang des Streites keine Unterlagen mehr vor. Beide Seiten hatten sich aber bei der Genehmigung der neuen Satzung im Jahre 1901 wieder vertragen. Die Gesellschaft führte nun allerdings nicht mehr den Namen des Kirchenpatrons. Dabei ist es bis zum heutigen Tage geblieben.